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Przygodda
Foto: Klaus Lautenbacher

Gedenkfeier für Peter Przygodda

Der Przygodda- Gedenkabend

Am Sonntag, dem 2. Oktober, war es auf den Tag genau fünf Jahre her, dass Peter Przygodda, der große Schnittmeister des Deutschen Films uns leider verlassen musste. Seine große brasilianische Familie und viele Freunde haben an diesem Tag in einer berührenden, aber auch heiteren Veranstaltung im Werkstattkino seiner gedacht. Mit Filmen, Texten und Gesprächen.

Dabei natürlich Rita, seine Witwe, Anna-Theresa, seine Tochter, Lukas, sein Schwiegersohn,  seine Neffen und Nichten, seine Cousins und Cousinen. Aber auch einige aus der Filmbranche, wie seine Kolleginnen, Babsi von Weitershausen, Heidi Handorf, Helga Borsche, Agape Dorstewitz, der Musiker Michael Heinel, Christian Friedel vom Filmwelt-Verleih, Peter Goedel, Reinhard Hauff. Wim Wenders, für den er so viele Filme geschnitten hat, konnte leider nicht kommen, hatte aber für uns alle persönliche Worte über seinen Kumpel und Mitstreiter geschickt, die ich am Ende zitieren werde.

In dem ersten Film, den wir gezeigt haben, „Peter Przygodda, Schnittmeister – Beobachtungen im Schneideraum“aus dem Jahr 1993 wurde er wieder ganz lebendig. Przygodda im Schneideraum während des Schnitts von Peter Handkes zweitem Spielfilm „Die Abwesenheit“ mit Jeanne Moreau und Bruno Ganz. Die Arbeit mit dem Material, alles noch analog, Zelluloid: Die Sichtung, das Ausmustern, der Schnitt und die Endmischung im Tonstudio. Zwischendurch immer wieder Przygodda beim Betrachten und kommentieren einiger Filme am Schneidetisch, die er geschnitten hat und die für ihn sehr wichtig waren: Thomas Schamonis „Ein großer graublauer Vogel“, sein erster Film, an dem er als Schnittmeister gearbeitet hat, an den letzten beiden Akten, mit der grandiosen Musik von CAN,  Wim Wenders’ „Der amerikanische Freund“, der Przygodda viele schlaflose Nächte gekostet hatte, Reinhard Hauffs „Messer im Kopf“ mit seinem genialen Umgang bei der Filmmusik, Volker Schlöndorffs „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“, bei dem er Hans Werner Henze ein paar Takte geklaut hat, um die Musik besser zu platzieren, und last but not least Klaus Lemkes „Liebe so schön wie Liebe“ mit der wunderschönen Sylvie Winter und „Paul“ mit dem unvergessenen Paul Lys . Und ganz spannend, was Regisseure wie Wenders, Hauff und Lemke über ihren Schnittmeister zu erzählen wissen. Voller Respekt und Bewunderung für seine Montagekunst.

Im zweiten Teil des Abends haben wir Przygodda als Filmemacher vorstellen wollen. Denn er war ja nicht nur ein Meister des Schnitts, sondern hat auch Eigenes realisiert. Dokumentar- und Spielfilm, vor allem aber seit den neunziger Jahren kleinere Arbeiten, in denen er zusammen mit André Bendocchi-Alves in der Gestalt der fiktiven Regisseure Candido Coelho und Erenesto Peixoto in Texten und Bildern sein Leben zwischen den Welten filmisch notiert hat. Ein Leben zwischen München, LA, New York, London und Bahia.

Peter Przygodda und Peter Goedel in Arembepe, Bahia

Von diesen Werken haben wir Einiges gezeigt. Als erstes das Kabinettstückchen eines radikalen Experiments „Hombre de Bahia“, Przygodda in London auf dem Weg zu seinem Avid-Schnittplatz, festgehalten  in einer Zeitschleife, aus der es kein Entrinnen gibt. Immer wieder der gleiche Gang durch die Straßen Londons hinauf in den 4. Stock zu seinem AVID. Sem fine. Ohne Ende. Für einige der Zuschauer fast zu radikal. Ein Film, der in Oberhausen oder Knokke für Aufsehen gesorgt hätte.

Danach kamen Ausschnitte aus seinen „Randnotizen“, die zwischen 1996 und 2004 entstanden sind, voller Melancholie, Poesie und Nachdenklichkeit.

Zum Schluss hier der Text von Wim.
„Fast 40 Jahre lang hab ich monatelang neben oder hinter Peter gesessen, und erst auf den Bildschirm des Steenbeck gestarrt, auf dem Peter Filmstreifen und Tonbänder synchron zog, schnitt und vor oder zurück laufen ließ, in aberwitziger Geschwindigkeit und Präzision, und dann habe ich ihm noch zehn Jahre beim „Klicken“ zugeschaut, wie er den digitalen Schnitt nannte.
40 Jahre! Hin und wieder von Peter ein Grummeln oder Brummeln zur Seite. Hin und wieder mal aufgestanden für eine Zigarette oder um eine weitere Cola light aus dem Kühlschrank zu holen. Ansonsten sitzen und gucken, und manchmal etwas vorausdenken und manchmal etwas im Nachhinein umdenken.
Geschichten erzählen war das gemeinsame Ziel, und erforderlich war ein seltenes Handwerk, das des Filmschnitts, viel Sitzfleisch und jede Menge gegenseitigen Respekts.
Viel geredet hat Keule nicht. Ich ja auch nicht.
„Freundschaft“ war ein zu hehres Wort, aber wir waren uns näher als Freunde. Das war eine 40-jährige Bruderschaft. Die musste man auch mit Unterbrechungen schützen. Peter hat ja auch viele andere Filme geschnitten.
Er war der größte Schnittmeister seiner Generation.
40 Jahre prägen. Auch jetzt sitzt Peter an jedem AVID dabei. Nein, nicht als „Schatten“ seiner selbst, sondern als Mitdenker, Miterzähler.
Keule! Held! Brummbär!“