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Abschied von Helmut Merker

Ich kann es einfach nicht fassen. Vor nicht mal zwei Monaten saßen wir zusammen im Zeughauskino. Du warst gekommen, um Dir meinen Tanger-Film anzuschauen, den Du bislang nicht kanntest. Ein wenig verwundert war ich, weil Du noch dünner warst, als ich Dich in Erinnerung hatte. Zwei Jahre hatten wir uns nicht gesehen gehabt. Aber Du meintest, es ginge Dir gut. So saßen wir zusammen und plauderten über alte Zeiten im WDR, wo ich Dich Anfang der siebziger Jahre als Redaktionsvolontär kennen gelernt hatte. Ich war damals als Regisseur verantwortlich für ein Schüler- und Studentenmagazin PIPELINE. Das war auch Dein Anfang im Sender. Eine Deiner ersten Aufgaben im WDR war ein Beitrag zu diesem Magazin, den ich dann als Regisseur umsetzen durfte. Das war der Beginn unserer gemeinsamen Zeit. Bald danach fingst Du in der Filmredaktion bei Georg Alexander an. Ein Traum ging für Dich in Erfüllung. Oft saß ich in den Räumen der Filmredaktion, bei Dir, Angelika Wittlich, Roland Johannes und all den anderen wie Dütsch und Reichart im 8. Stock. 1976 ließ ich mich ja in München nieder, habe aber immer wieder für und mit dem WDR gearbeitet. Und immer wenn ich in Köln war, führte mich mein Weg in das Filmhaus, wo Du zu Hause warst. Wir sprachen über Filme, über Fußball und natürlich auch über Tennis und über Steffi Graf. Und dann kam ich mit meiner Idee eines Films über einen Filmvorführer auf Dich zu. Diese Idee hast Du gleich aufgegriffen und mir den Weg geebnet. Mit ALOIS GUGUTZER, FILMVORFÜHRER konnte ich so meinen ersten Film in eigener Produktion realisieren.

Ich erinnere mich, dass Du nicht so ganz glücklich warst mit diesem Film. Unsere Idee (meine und die von dem Kameramann David Slama) war es, nicht aus dem Vorführraum zu weichen. Alois Gugutzer musste damals im Royalpalast in München vier Säle betreuen, und wenn er weg musste, musste er halt weg. Wir aber blieben drin in seiner Kabine, die er sich wohnlich eingerichtet hatte, und lauschten dem Klang der Maschinen und der Filmtöne. Und an der Rückwand des Vorführraumes spiegelten sich die Filmbilder. Wir warteten einfach, bis der Vorführer zurückkehrte.

Dir hatte das nicht so zugesagt und Du hättest den Film wohl so nicht redaktionell abgenommen, wenn nicht Georg Alexander gerade davon so begeistert war. Aber das hat unser Verhältnis nicht getrübt. So hast Du mich als erfahrenen Kenner der damals ganz neuen elektronischen Maz-Schnitttechnik mit dabei haben wollen, als Du den Filmtip erfunden hattest und den ersten realisiertest. So entstand der allererste Filmtip über Truffauts „Der Mann, der die Frauen liebte“. Inzwischen hatte ich in München einen Kontakt zu der neugegründeten Filmwelt, die von ehemaligen Mitarbeitern des Filmverlags, ins Leben gerufen worden war. Von Laurens Straub und Christian Friedel. Ihr Filmprogramm hat Dich sehr interessiert. Und ich durfte Filmtips zu Filmen machen, die die Filmwelt rausbrachte, u. a. die ersten Carpenter-Filme ASSAULT und HALLOWEEN. Und ich durfte 1979 als Bildregisseur die erste Fernseh-Livesendung von den Hofer Filmtagen betreuen, nachdem ich Dir so begeistert von diesem Festival berichtet hatte. In diesen Jahren war ich viel für Euch tätig. Bis ich dann mit TALENTPROBE meinen ersten Kinofilm realisierte und mir für solche Beiträge schlichtweg die Zeit fehlte.

Die Besuche im WDR-Filmhaus aber waren Tradition geblieben. Jedes Mal schaute ich zu Euch beiden rein, Roland saß wie immer, eher etwas zurückhaltend und ein wenig einsilbig, an seinem Schreibtisch, Du wie immer lebendig und diskussionsfreudig. Wir feierten in Deinem Apartment auch ab und an Deine Geburtstage, wenn ich gerade zu dieser Zeit in Köln war. Viele von uns, die in den siebziger Jahren im WDR angefangen hatten, kannten sich untereinander. Wir waren eine kleine verschworene Gemeinschaft in diesem großen Apparat WDR. Wir trafen uns in den Schneideräumen, in der Kantine und abends auf ein Kölsch oder auch zwei. Entspannte Zeiten waren das.

Und dann kam es noch zu zwei weiteren Produktionen, die Du betreut hattest: VERSCHOLLEN IM VIDEORAUM über den neu aufgekommenen Videomarkt und PETER PRZYGODDA, SCHNITTMEISTER.  Zwei sehr schöne Werke, für die ich Dir sehr dankbar bin.

Auch später haben wir unseren freundschaftlichen Kontakt nie verloren. Auch wenn jeder jetzt seine eigenen Wege gegangen ist. Fast bei jeder Berlinale haben wir uns auf einen Café getroffen, am Potsdamer Platz oder auch bei Dir zu Hause in der Pariser Straße.

Ich hoffe, da oben sitzt Du in einem schönen luftigen Vorführraum, in dem Du Dir all die Filme immer wieder anschauen kannst, die Du so geliebt hast.

Gefreut hat es mich sehr, als Du im Juli zu meiner Werkschau im Zeughauskino erschienst und Dich so gefreut hast, Peter Nau, meinem Kurator, die Hand zu drücken. Denn bisher hattest Du ihn noch nicht persönlich kennen gelernt gehabt. Das immerhin hast Du noch erleben dürfen. Aber leider wurde es nicht zum Beginn einer wunderbaren Freundschaft, die es sicher hätte werden können, wenn Dir noch Jahre gegönnt gewesen wären.

Mach es gut, lieber hm

Dein PG